
Martin Mohr, Vice President Business Development & Alliances EMEA von Icertis im Gespräch mit All about Sourcing über die strategische Bedeutung von Verträgen und deren Integration in Geschäftsprozesse.
All about Sourcing: Herr Mohr, Icertis ist vermutlich noch nicht allen unseren Lesern ein Begriff. Können Sie uns erläutern, wer Icertis ist?
Martin Mohr: Icertis ist eines der am schnellsten wachsenden IT-Unternehmen aus dem Silicon Valley. Wir konzentrieren uns darauf, bei unseren Kunden den Mehrwert, der in den oft Tausenden oder gar Millionen von Verträgen des jeweiligen Unternehmens steckt, als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
All about Sourcing: Das klingt sehr nach Contract Lifecycle Management (CLM). Wo unterscheidet sich hier Icertis von anderen Anbietern?
Verträge definieren nahezu alle Beziehungen
Mohr: Ganz einfach: Wir sind kein CLM-Anbieter, und um der wahrscheinlichen Anschlussfrage vorwegzugreifen: Wir machen auch kein Dokumentenmanagement. Es geht um etwas anderes: Verträge definieren nahezu alle Beziehungen, die ein Unternehmen hat – zu den Mitarbeitern, zu den Vertriebspartnern, zu Lieferanten etc. Allein die Zahl der Verträge kann bei einem großen Unternehmen wie Daimler mit mehr als 500.000 Lieferanten schon im deutlich siebenstelligen Bereich liegen. Wenn es Ihnen gelingt, diese Verträge auch in Geschäftsprozesse zu integrieren, statt nur das Dokument digital oder gar noch in Papierform zu verwalten, haben Sie gegenüber ihren Mitbewerbern einen strategischen Wettbewerbsvorteil.
All about Sourcing: Können Sie das etwas konkretisieren?
Mohr: Wann immer Sie eine Geschäftsbeziehung, beispielsweise mit einem neuen Lieferanten eingehen, schließen Sie einen – oft auch mehrere – Verträge mit diesem Unternehmen. Darin sind viele Rechte und Pflichten, aber auch Zahlungs- und Lieferparameter definiert. Wenn Sie diese Parameter folglich mit Ihren CRM- und ERP-Lösungen verknüpfen, fließen diese Bedingungen direkt in die Geschäftsprozesse mit ein. Dies vereinfacht zum einen die Einhaltung der Vereinbarungen aus den Verträgen – und zwar in beide Richtungen. Zum anderen erleichtert es dem gesamten Unternehmen die Compliance, denn rechtliche Vorschriften sind schlicht integrativer Teil der Geschäftsprozesse. Das Unternehmen wird auf diese Weise deutlich transparenter.
Verträge managen und Wettbewerbsvorteile sichern
All about Sourcing: Welche Unternehmensgröße und/oder welche Branchen wollen Sie damit erreichen?
Mohr: Nun, angefangen haben wir direkt mit den ganz Großen, beispielsweise Microsoft. Aber auch in Deutschland zählen namhafte Unternehmen zu unseren Kunden, darunter beispielsweise BASF, Daimler, Porsche und seit kurzem auch die Datev.
Ich denke, daraus wird deutlich, dass es keineswegs um spezifische Branchen geht, sondern dass wir für all diejenigen Unternehmen interessant sind, die eine größere Zahl von Verträgen managen müssen, dies aber als Chance betrachten, um gegenüber den Marktbegleitern Vorteile im Wettbewerb zu erzielen. Dass dies aber keineswegs nur die Weltkonzerne sind, sondern wir auch größere Mittelständler ansprechen wollen, zeigt sich unter anderem daran, dass wir uns mit einer eigenen Initiative an Unternehmen dieser Größe richten. Das haben wir gerade jetzt im Dezember erst angekündigt.
Schneller Zugriff auf Vertragsinhalte
All about Sourcing: Wie sieht es denn innerhalb der Unternehmen aus? Wer nutzt denn Ihre Plattform am intensivsten?
Mohr: Gestatten Sie mir hier eine etwas differenziertere Antwort. Nachdem defacto ja die gesamten Geschäftsbeziehungen des Unternehmens in Verträgen abgebildet werden, im Grunde jeder Mitarbeiter. Aber es gibt natürlich durchaus Unterschiede.
Für die Unternehmensleitung bedeutet Contract Intelligence, wie wir unseren Ansatz nennen, schnelleren Zugriff auf wichtige Vertragsinhalte und die dazugehörigen Kennzahlen. Dazu liefern wir entsprechende DashbBoards mit unserer Lösung, die sich auch für die Kunden je nach Bedarf anpassen lassen.
Ein anderes Beispiel ist der Einkauf. Auch hier nochmal das Beispiel Daimler. Das Unternehmen hat etwa 500.000 Lieferanten, mehr als 6.000 Mitarbeiter sind im Einkauf beschäftigt. Der transparente Zugang zu wichtigen Vertragsparametern, zu -inhalten und -definitionen ist hier extrem wichtig. Dass das auch funktioniert, zeigt sich daran, dass Daimler die Ausarbeitungszeit von Verträgen von rund sechs Wochen auf nur eine Woche verkürzen konnte. Das sind – aus meiner Sicht – durchaus beeindruckende 83 Prozent. Zudem konnte der Automobilhersteller seine Infrastrukturkosten, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Software stehen, um etwa 50 Prozent senken.
All about Sourcing: Nun, Daimler ist ja doch ein sehr großes Unternehmen und vermutlich mahlen die Mühlen der IT dort nicht so schnell wie in kleineren Unternehmen. Welche Zeit muss denn für ein solches Projekt kalkuliert werden?
Mohr: Da gibt es keinen Richtwert. Wie bei allen anderen Anbietern im B2B-Bereich gilt auch bei uns, dass kein Projekt dem anderen gleicht. Allerdings hat die Implementierung der Icertis Contract Intelligence Platform bei Daimler lediglich vier Monate gedauert. Das es so schnell gehen kann, hat sogar den Kunden positiv überrascht. Gegenwärtig haben wir ein anderes Projekt mit einem Kunden in Frankreich, den Namen dürfen wir aktuell leider noch nicht verraten, bei dem wir innerhalb von nur acht Wochen die Mitarbeiter in 45 Ländern an unsere Plattform angebunden haben, sodass diese die ersten Funktionen im Tagesgeschäft nutzen können. Um bei 45 Ländern langfristig die kompletten Anforderungen an rechtliche Vorgaben abzubilden, dauert es dann allerdings noch ein wenig. Das ist einfach sehr anspruchsvoll. Aber ich denke, daraus wird deutlich, dass die Unternehmen nicht Jahre auf die Einführung warten müssen, sondern sehr schnell mit unserer Plattform konkrete Ergebnisse erzielen können.
All about Sourcing: Herr Mohr, wir danken für dieses Gespräch.